SIE. Eine Filmanalyse.
Die Kundin reicht ihren ersten Experimentalfilm ein und benötigt dafür eine Analyse für Form und Inhalt.
SIE, als personifiziertes Personalpronomen, steht für all jene namen- und gesichtslosen Frauen, die, […]. Die gehäkelten Maschen verspinnen sich und legen sich wie ein Kokon über den Kopf der Frau. Eine Entpuppung soll später stattfinden. […].
Die klare Formsprache des Films reproduziert die (Be)Drohung von Unterdrückung, Misshandlung und Sittenstrenge. Der kontrastreiche Stil und das symbolhafte Weiß evozieren gleichzeitig eine Sehnsucht, die noch nicht gänzlich ausgelöscht scheint. […]
Die Projektionen, die einerseits an Selfie-Darstellungen westlicher Frauen erinnern, andererseits an das hingerichtete Bauernmädchen Jeanne d’Arc aus Carl Theodor Dreyers gleichnamiger Verfilmung, lässt die stilisierte Filmfigur hinter sich. Sie begibt sich auf ihren letzten Weg – im Film. Zunächst wählt die Frau einen Gang ins Schwarz, bei welchem der Zuschauer bis zum Schluss hofft, sie möge sich nicht, wie Orpheus es tat, umdrehen. Der Frau soll der Weg zurück in eine andere Welt gelingen. Sie tritt aus dem Schatten in ein helles Licht, das sie zunächst wie einen Geist erscheinen lässt. In der letzten Sequenz gelingt es vor allem aufgrund der Tonquelle, Ophelias‘ Geist dem Zuseher in Erinnerung zu rufen. Doch Gott sei Dank neigt sich kein Weidenbaum über den Bach und geht SIE nicht in den Tod. Die Frau wirft erneut einen entschiedenen Blick in die Kamera. Sie enthüllt sich. Sie befreit sich.